Ist das Greenwashing? Unser Schnelltest liefert Antworten
Immer mehr Unternehmen engagieren sich im Umweltschutz. Wer das tut, darf auch darüber sprechen – solange Kommunikation und Umweltschutzmassnahmen zueinander passen. Greenwashing hingegen kann das Vertrauen der Zielgruppen massiv beschädigen. Unser Schnelltest ermöglicht eine erste Einschätzung der Kommunikation.

Die Kommunikation von Nachhaltigkeits- und speziell Umweltthemen gewinnt immer mehr an Bedeutung. Viele Unternehmen intensivieren in ihre Bemühungen, die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Umwelt zu reduzieren und möchten das entsprechend kommunizieren.
Das ist nicht nur legitim, es ist wichtig, damit Konsument:innen über genügend Informationen verfügen, um sich für nachhaltigere Produkte entscheiden zu können. Problematisch ist es, wenn Unternehmen ihr grünes Engagement überbetonen oder mit ihrer Kommunikation irreführende Angaben machen. In dem Fall betreiben sie Greenwashing und schaden so der Nachhaltigkeitsbewegung.
Was bedeutet Greenwashing?
Greenwashing bezeichnet irreführende, intransparente oder im schlimmsten Fall falsche Aussagen zu Umweltthemen, unabhängig davon, ob sie absichtlich oder unabsichtlich erfolgen.
Greenwashing zu erkennen ist eine Herausforderung. Sowohl für die Konsument:innen als auch für Organisationen und Medien, welche die Kommunikation von Unternehmen kritisch betrachten.
Aber: Viele Betriebe tun sich schwer damit, Greenwashing in ihrer eigenen Kommunikation zu identifizieren. Dabei haben sie genau davor oft Respekt: So kommuniziert gemäss dem South Poles 2022 Net-Zero-Report ein Drittel aller deutschen Unternehmen ihre Klimaziele nicht öffentlich, um dem Vorwurf des Greenwashings vorzubeugen. Dieses Phänomen nennt sich «Greenhushing». Das führt zu Verzerrungen des Branchenvergleichs und einer erhöhten Schwierigkeit der Erfassung des Status Quo.
Greenwashing entsteht graduell
Polarstern hat deshalb ein Tool entwickelt, das einzelne Massnahmen der Nachhaltigkeitskommunikation untersucht. Damit lässt sich zeigen, ob diese in Bezug auf Greenwashing unproblematisch ist oder ob die Kommunikation einer Überarbeitung bedarf. Der Schnelltest basiert dabei auf nur vier Fragen. Aufgrund dieser Reduktion aufs Wesentliche ersetzt er keine vertiefte Kommunikationsberatung, liefert aber eine gute erste Einschätzung.
Der Test eignet sich zur Anwendung durch Unternehmen, die ihre eigene Kommunikation testen möchten. Genauso können kritische NGOs oder Journalist:innen den Test verwenden, um von aussen eine Beurteilung zu treffen. Hingegen ist er für eine Kurzbeurteilung für Konsument:innen eher ungeeignet. Denn: Damit man zur korrekten Einschätzung kommt, braucht es ein gewisses Mass an Informationen über den Betrieb, dessen Kommunikation man untersucht.
Der Test folgt dem Grundsatz, dass Greenwashing ein Missverhältnis zwischen konkreten Umweltschutzmassnahmen und der Kommunikation dazu darstellt. In der Regel führen nicht falsche Umweltschutzmassnahmen zu Greenwashing, sondern die unpassende Kommunikation dazu. Dabei ist Greenwashing keine klar definierbare Kategorie, sondern ein gradueller Prozess von problemlos hin zu problematisch – mit einem Graubereich dazwischen.
So funktioniert der Test
Unternehmenskommunikation im Umweltbereich sollte stets an der Wirksamkeit und Relevanz von umgesetzten und/oder geplanten Umweltschutzmassnahmen ausgerichtet sein. Der Schnelltest prüft deshalb beide Bereiche (Umweltschutzmassnahmen und Kommunikation dazu) separat. Im Grundsatz gilt:
Je wirksamer die Umweltschutzmassnahmen, desto offensiver darf die dazugehörige Kommunikation sein.
Der Test analysiert folgende vier Kriterien:
- Wirksamkeit der Umweltschutzmassnahmen: Der Test fragt, welche Wirkung eine Massnahme auf die Umwelt hat – wie stark ist sie wirklich und lässt sich diese Wirkung auch belegen?
- Nähe zum Kerngeschäft der Umweltschutzmassnahmen: Im Kerngeschäft hat das Unternehmen am meisten Einfluss auf die Reduktion von Emissionen und Umweltbelastungen. Wer sein Unternehmen umweltschonender machen will, muss zuerst hier ansetzen.
- Verhältnismässigkeit der Kommunikation dazu: Passt die Botschaft zu den propagierten Umweltmassnahmen oder lässt sie Raum für (falsche) Interpretationen? Das gilt nicht nur für den Text: Sind die Bildsprache oder Farbwelten klar oder führen sie die Betrachtenden in die Irre?
- Transparenz der Kommunikation dazu: Wie gut können Aussenstehende die gemachten Angaben prüfen? Liefert das Unternehmen die (glaubwürdige und korrekte) Beweisführung gleich selbst?
Die Kriterien werden mit Punkten von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut) bewertet. Die Auswertung zeigt, ob die Kommunikation von Umweltschutzmassnahmen angemessen ist, eine Greenwashing-Tendenz zeigt oder ob sie in der vorliegenden Form untragbar ist.
Auswertung nach Vorbild der Lawinenskala
Nach der Punktevergabe werden die Ergebnisse für die Umweltschutzmassnahmen und für die Kommunikation auf der folgenden Matrix ausgewertet:

Die Darstellung ist der Reduktionsmethode der Risikomatrix für die Lawinengefahr nachempfunden, die von Skitourengänger:innen verwendet wird. Die Analogie zur Angabe der Lawinengefahr passt:
- Im grünen Bereich ist nicht mit Problemen zu rechnen.
- Im gelben Bereich jedoch braucht es bereits zusätzliche Massnahmen, um die Lawine – oder eben Greenwashing – zu verhindern. Beim Skitouren wird dies etwa durch die Einhaltung eines Sicherheitsabstands erreicht, in der Kommunikation braucht es weiterführende Informationen oder die transparente Offenlegung von Messmethoden und den erhobenen Daten. Die Angaben sollten auf der betriebseigenen Website ersichtlich sein.
- Im roten Bereich sollte man seine Skitour – oder eben die Kommunikation – gar nicht durchführen und die Route gänzlich überdenken.
Ziel des Tests ist nicht nur eine Einschätzung der eigenen Kommunikation, sondern auch eine vertiefte Auseinandersetzung mit den wichtigsten Fragen dahinter. In der dadurch entstehenden Diskussion werden oft bereits Unklarheiten aufgedeckt und Handlungsbedarf erkannt.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Erarbeitung einer wirksamen Klima- und Umweltkommunikation, etwa in Form eines auf Ihr Unternehmen zugeschnittenen Workshops. Erfahren Sie mehr über unser Angebot im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation.
Die sieben Sünden des Greenwashings
Eine Studie von TerraChoice untersuchte über 5000 Produkte für Haus und Familie (Home & Family Products) und eruierte folgende sieben «Sünden des Greenwashings»:
- Sin of the Hiden Trade-Off
(Problem fauler Kompromisse)
Besonderes Hervorheben eigener umweltfreundlicher Handlungen, um andere umweltbelastende Handlungen zu verschleiern. - Sin of No Proof
(Problem nicht überprüfbarer Aussagen)
Vorgabe einer umweltfreundlichen Eigenschaft ohne unabhängig prüfbaren Nachweis. - Sin of Vagueness
(Problem der unklaren und mehrdeutigen Formulierungen)
Verwirrende Beschreibungen ohne greifbare Informationen (Bezeichnungen wie «klimafreundlich»). - Sin of Irrelevance
(Problem der Irrelevanz)
Richtige, aber im Kontext Nachhaltigkeit nicht wesentliche Produkteigenschaft betonen. - Sin of Lesser of Two Evils
(Problem des kleinere zweier Übel)
Hervorheben einzelner positiver Produkteigenschaften, um von negativen Eigenschaften abzulenken. - Sin of Fibbing
(Problem der falschen Aussagen)
Angabe umweltfreundlicher Charakteristika, die nicht stimmen. - Sin of Worshiping False Labels
(Problem falscher Labels)
Verwendung nicht anerkannter Labels (Verwirrung im Label-Dschungel).
Quelle: Studie TerraChoice: «The Sins of Greenwashing» (2010)