22. Mai 2023

Klimawandel oder Klimakrise?
Die Bedeutung der Sprache fürs Klimabewusstsein

Sprache beeinflusst, wie wir die Welt wahrnehmen. Dieses Argument, das man aus der Diskussion um die geschlechtergerechte Sprache kennt, taucht auch in einem anderen Kontext auf: in der Debatte um eine klimagerechte Sprache.

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Eine kurze Google-Recherche zeigt: Der Begriff «Klimawandel» ist deutlich stärker verbreitet als sein Synonym «Klimakrise». Doch handelt es sich hierbei überhaupt um Synonyme? Vertreter:innen einer klimagerechten Sprache, das heisst einer Sprache, die zu klimafreundlichem Handeln bewegen soll, sagen ganz klar: nein. Das Wort «Klimawandel» suggeriere einen sanften und natürlichen Wandel und übermittle nicht die Dringlichkeit, die eigentlich angebracht sei, um die menschgemachte «Klimakrise» zu stoppen. Doch Sprachwissenschaftler:innen argumentieren, auch das Wort «Klimakrise» sei nicht über alle Zweifel erhaben: Denn das Wort «Krise» wird für eine Situation verwendet, die einen klaren Höhe- und Wendepunkt sowie ein absehbares Ende aufweist, was bei der Klimaerwärmung (um noch eine dritte Alternative ins Spiel zu bringen) nicht der Fall ist. Es wird schnell klar: Richtig und falsch gibt es nicht.

 

Sprachdiktat versus Sprachvielfalt

Die renommierte britische Tageszeitung The Guardian hat sich dennoch entschieden, Einfluss darauf zu nehmen, wie ihre Journalist:innen über den Klimanotstand berichten. Sie hat einen Leitfaden inklusive Glossar mit Begriffen, die nicht beziehungsweise stattdessen verwendet werden sollen, publiziert. So soll anstatt des passiven und sanft anmutenden Begriffs «Klimawandel» entweder «Klimanotstand» oder «Klimakrise» genutzt oder anstelle des beschönigenden Worts «Klimaskeptiker:in» das Wort «Klimaleugner:in» eingesetzt werden. Auch in der deutschen Medienlandschaft sind Leitfäden zur klimagerechten Sprache im Gespräch. So hat die überregionale deutsche Tageszeitung TAZ zusammen mit Torsten Schäfer, Professor für Journalismus an der Hochschule Darmstadt mit Schwerpunkt Umwelt- und Klimajournalismus, Vorschläge für die Verwendung von Schlüsselbegriffen im Klimajournalismus veröffentlicht. Im Gegensatz zum Guardian, der klare No-Gos definiert, plädieren Torsten Schäfer und die TAZ für mehr Vielfalt in der Klimasprache. Denn zur Beschreibung eines komplexen Themas wie dem des Klimas brauche es einen differenzierten Wortschatz. Gemäss Schäfer ist eine vielfältige Sprache denn auch stärker und wirksamer.

 

Interdisziplinarität für die Energiewende

Auch in der Schweizer Verwaltung ist die Diskussion um eine klimagerechte Sprache angekommen. So hat die Regierung der Stadt Luzern Ende letzten Jahres ihre Verwaltung dazu angewiesen, fortan in allen öffentlichen Dokumenten von «Klimakrise» und nicht mehr von «Klimawandel» zu sprechen. Auch auf Bundesebene beschäftigt man sich mit dem Thema. So veranstaltete das Bundesamt für Energie (BFE) kürzlich zwei Workshops, in denen in einem interdisziplinären Team die Rolle der Sozial- und Geisteswissenschaft in der Energieforschung diskutiert wurde. Die Forschung zeige, dass es für die Energiewende mehr als innovative Technologien brauche; eine wichtige Rolle spiele die Sprache. Wie bei den Begrifflichkeiten rund ums Klima braucht es auch bei der Kommunikation im Kontext der Energiewende ein hohes Sprachbewusstsein. Ob man von «Energieproduktion» oder von «Energieversorgung» spreche, mache einen Unterschied, betont Garcia Brückmann vom Oeschger Institut für Klimaforschung der Universität Bern. «Während beim Wort «Versorgung» ein sozialer, gemeinschaftlicher Aspekt mitschwingt, wird beim Begriff «Produktion» der Marktmechanismus betont», erklärt Brückmann.

 

Fokus auf die Zielgruppe

Was allgemein für die Kommunikation gilt, trifft auch spezifisch auf die Klimakommunikation zu: Die richtige Wortwahl beim Texten steht und fällt mit der vorgängigen Analyse. Je besser man seine Zielgruppe kennt, desto wirksamer kann man kommunizieren. Wie steht die Zielgruppe zur Klimadebatte? Empfindet sie das Wort «Klimawandel» als euphemistisch oder aber das Wort «Klimakrise» als hysterisch? Welches Vorwissen hat die Zielgruppe? Kennt sie den Unterschied zwischen «Netto-Null» und «klimaneutral»? Die Zielgruppe muss mit konsistenten, verständlichen und nahbaren Botschaften abgeholt werden. Der Schlüssel zum Erfolg in dieser komplexen Diskussion ist somit ein überlegter Einsatz der Begrifflichkeiten und das Heranziehen fassbarer Beispiele. Ein Aspekt übertrumpft jedoch alle anderen in der Kommunikation rund ums Klima: Transparenz. Überzeugen kann nur, wer das Vertrauen der Zielgruppe geniesst .Und dieses schafft man durch eine offene und ehrliche Kommunikation.

Gerne unterstützen wir Sie beim bewussten Umgang mit der Sprache für eine wirksame Klimakommunikation. Erfahren Sie mehr über unser Angebot im Bereich der Nachhaltigkeitskommunikation.

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