Zwischen Greenwashing und Aktivismus: Wie kommuniziere ich gegenüber Stakeholdern?
Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema mehr. Doch richtig darüber zu kommunizieren ist nicht einfach. Polarstern hat darum am Swiss Green Economy Symposium ein Innovationsforum zum Thema Nachhaltigkeitskommunikation organisiert – mit illustren Gästen.
Wie wird aus einer Knospe ein Label, aus einem Eisbären ein Symbol für den Klimawandel? Hinter einer Kommunikationsstrategie steckt viel mehr als das Versenden von Botschaften. Doch welche Hürden stellen sich einer Tabakfirma? Wie passt ein grosser Detailhändler die Nachhaltigkeitsberichterstattung an? Welche Rolle spielen die UN-Nachhaltigkeitsziele SDGs für die Bundesverwaltung? Und wann handelt eine Möbelfirma aktivistisch?
Polarstern hat für das 8. Swiss Green Economy Symposium am 1. September in Winterthur eine Fachtagung zum Thema Nachhaltigkeitskommunikation organisiert und hochkarätige Referentinnen und Referenten eingeladen, die Einsicht in die Praxis geboten und an anschliessenden Tischdiskussionen Fragen beantwortet haben. Einen kleinen Einblick in eine Auswahl an Vorträgen gibt es hier auf dem Blog.
Transparenz vs. Risiko
Andrea Hausmann ist Corporate Affairs und Communications Manager bei der Tabakfirma Japan Tobacco International (JTI) und hat für ihre Masterarbeit analysiert, auf welche Hürden Schweizer Grossunternehmen, Banken und Versicherungen in der Nachhaltigkeitskommunikation stossen. Auf der einen Seite würden Stakeholder vermehrt Transparenz fordern und wissen wollen, was Unternehmen machten. Auf der anderen Seite gebe es eine zunehmend kritische Öffentlichkeit, die ein klares Bild von ihren Werten und Normen habe. «Mit der Transparenz macht sich ein Unternehmen aber auch angreifbar und geht ein Risiko ein», sagt Hausmann.
Wie also damit umgehen? «Sagt man nichts, hat man etwas zu verbergen. Sagt man, was man macht, kommt immer gleich die Frage, warum man nicht noch mehr macht», resümiert Hausmann ein gängiges Dilemma. Für viele Unternehmen, insbesondere solche mit einer eher negativen Reputation, hänge das Thema Nachhaltigkeitskommunikation wie ein Damoklesschwert über ihren Köpfen, der Vorwurf von Greenwashing sei oft nicht weit. Dialogorientierte Kanäle sieht sie deshalb für die Nachhaltigkeitskommunikation am geeignetsten, wo man solche Themen diskutieren kann.
SDGs: Greifbarer machen und verknüpfen
Till Berger hat als stellvertretender Chef der Sektion Nachhaltige Entwicklung beim Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) eigentlich keine schwierige Frage vor sich, doch trotzdem gibt es darauf keine einfachen Antworten: Wie gelingt die Verbreitung der Agenda 2030 in der Schweiz? Die 17 formulierten Nachhaltigkeitsziele der UNO – die Sustainable Development Goals (SDGs) – würden die Kommunikation zwar vereinfachen – allerdings nur bedingt, sagt Berger.
In der Tat würden die dazu kreierten bunten Icons die Kommunikation unterstützen, allerdings funktionierten sie nicht als Stand-Alone-Lösung, die Icons bleiben erklärungsbedürftig, so Berger. Das grosse Problem mit den SDGs: Ihre Bekanntheit ist noch zu gering und ihre Bedeutung zu abstrakt. «Die Herausforderung besteht deshalb darin, sie mit konkreten, greifbaren Themen zu verknüpfen», sagt Berger. Einen Weg, den er gehen will: Mit Social-Media-Posts gute Beispiele aus der Praxis aufzeigen.
Braucht es Nachhaltigkeitsberichte noch?
Anna Peters, Projektleiterin Nachhaltigkeit beim Migros-Genossenschafts-Bund lieferte mit ihrem Vortrag einen spannenden Einblick in laufende Prozesse und zeigte auf, wie die Migros ihre Nachhaltigkeitsstrategie zurzeit anpasst. Sie stellte die absichtlich provokative Frage: Braucht es Nachhaltigkeitsberichte überhaupt noch? Oder ist der Aufwand nicht gerechtfertigt für ein paar Studierende, die darüber eine Arbeit schreiben, sowie ein paar kritische Journalisten und NGOs?
Gleichzeitig, sagt Peters, hätten sich die Anfragen von Kund:innen, die mehr über das Thema Nachhaltigkeit bei der Migros wissen möchten, in den letzten Jahren verdreifacht. Der Druck von aussen sei also da. Peters ist deshalb für einen Perspektivenwechsel: Statt das eigene Handeln mit den SDGs zu erklären, sollte man das eigene Handeln an den SDGs ausrichten. Im Klartext: Nicht zuerst dort nachhaltig handeln, wo man als Unternehmen etwa Kosten sparen könnte, sondern dort, wo man den meisten Impact auf ein SDG habe.
Firmen werden zu Aktivisten
Manuel Rotzinger, Public Affairs Verantwortlicher von IKEA Schweiz, sieht das Jahr 2020 als Geburtsjahr politischer Firmen. «Die Generation Y und Z haben andere Anforderungen an Firmen, aber auch ein anderes Mediennutzungsverhalten», sagt Rotzinger. Für ihn hänge das zusammen: Social Media habe den (Sofa-)Aktivismus gefördert und die Medienhoheit unterminiert. Themen aus den USA würden uns dadurch viel direkter treffen als früher. Ein Beispiel sei die Bewegung «Black Lives Matter».
Inzwischen würden Konsument:innen von Firmen erwarten, dass sie sich auch bei solchen Themen engagieren, sagt Rotzinger. Ein anderes Beispiel sei die Konzernverantwortungsinitiative. Er sieht darin aber nicht nur Herausforderungen: «Als Firma ist das ein spannendes Umfeld, worin man sich bewegen und den gesellschaftlichen Diskurs mitprägen kann – ausserhalb der Gewinnmaximierung.»
Weitere Themen, Erkenntnisse und Ideen werden wir in den kommenden Wochen auf unserem Blog behandeln. Folgen Sie uns auf Social Media (LinkedIn, Twitter, Facebook) oder abonnieren Sie unseren Newsletter, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Mehr zum Swiss Green Economy Symposium SGES
Das Swiss Green Economy Symposium ist eine neutrale Plattform für nachhaltiges Wirtschaften. Seit 2013 bringt Lifefair am Symposium Akteure aus verschiedenen Branchen zusammen und fördert so den Dialog. Es zeigt an konkreten Beispielen, wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und NGO gemeinsam zu mehr Wohlstand, zum Schutz der Umwelt und zu einem friedlicheren Zusammenleben beitragen können.